FAQs - Hier beantworten wir oft gestellte Fragen
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Machen Sie mit: Sie haben eine Frage, die Ihnen im Zusammenhang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz auf dem Herzen liegt? Kontaktieren Sie uns mit Bitte um Aufnahme in unser FAQ. Wir freuen uns, dieses stetig zu erweitern und mit Ihren Fragen zu ergänzen.
Was ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?
+Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: So wird das Antidiskriminierungsgesetz in Deutschland bezeichnet. Es gilt sowohl am Arbeitsplatz als auch im Zivilrechtsverkehr. Am Arbeitsplatz verbietet es Benachteiligung auf Basis der nachfolgenden Diskriminierungsdimensionen:
- “rasse”*/ ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Religion/ Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- sexuelle Identität
*Wir schreiben das Wort “rasse” klein und kursiv, um unsere Ablehnung zu dieser menschenverachtenden Ideolodie auszudrücken. Es gibt keine Menschenrassen.
Wer aufgrund einer der abgedeckten Dimensionen diskriminiert wird, kann sich beim Arbeitgeber beschweren und / oder, ggf. arbeitsrechtlich Schadensersatz oder Entschädigung geltend machen. Das Gesetz trat 2006 in Kraft. Leider ist der Diskriminierungsschutz in Deutschand einer der schwächsten in Europa. Das AGG weist u.a. zahlreiche Schutzlücken auf, die dringend geschlossen werden müssen. Freiberufler*innen oder Studierende sind beispielsweise nicht vom AGG geschützt und die Fristen zur Geltendmachung von Schadensersatz oder Entschädigung betragen in Deutschland nur 2 Monate, sind also viel zu kurz.
Eine Übersicht mit Forderungen der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung finden Sie hier.
Was muss ich als Arbeitgeber*in tun, um meine Mitarbeitenden vor sexueller Belästigung zu schützen?
+Alle Arbeitgeber*innen unterliegen einer Fürsorgepflicht ihren Beschäftigten gegenüber. Diese umfasst laut §12 Abs. 1 AGG auch vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten (z.B. Vorträge oder Schulungen). Neben aktiver Präventionsarbeit müssen Arbeitgebende bei Vorfällen (z.B. sexueller Belästigung) „die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen“ (§12 Abs. 3 AGG) Maßnahmen als Konsequenzen ergreifen. Beschwerden müssen angenommen und von der zuständigen Stelle geprüft werden. Dafür müssen Arbeitgebende u.a. eine Beschwerdestelle einrichten und diese bekannt machen. Das Ergebnis muss der Person, die sich beschwert hat, mitgeteilt werden. Beschwerdeführer*innen und deren Unterstützer*innen dürfen nicht benachteiligt werden, wenn sie von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen (§16 Maßregelungsverbot).
Was ist eine Beschwerde nach dem AGG?
+Fühlen sich Beschäftigte (auch Bewerber*innen und Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beenden ist) wegen eines in §1 genannten Grundes benachteiligt und möchten sie von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen, können sie bei der zuständigen Stelle eine Beschwerde einreichen. Alle, die Personen beschäftigen, egal wie viele, müssen eine Beschwerdestelle einrichten.
Im Gesetz heißt es dazu: „Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in §1 genannten Grundes benachteiligt fühlen“ (§ 13 Abs.1 AGG).
Dazu müssen sie darlegen, worin die Benachteiligung bestand und ggf. Beweise / Indizien vorlegen. Die Beschwerde muss angenommen und geprüft und das Ergebnis der beschwerdeführenden Person mitgeteilt werden. Als Frist für die Beschwerdeprüfung schlägt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes einen Zeitraum von 2 Wochen vor.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt betroffenen Personen u.a. Musterformulare und Ausfüllhilfen sowie einen Diskriminierungs-Check zur Verfügung.
Welche Konsequenzen sind nach einer sexuellen Belästigung angemessen?
+Arbeitgebende sind dazu verpflichtet, „die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen“ Maßnahmen einzuleiten. In jeden Einzelfall muss die Beschwerde geprüft werden. Die Maßnahmen, die dem Arbeitgeber*in zur Verfügung stehen, reichen von der Abmahnung über Umsetzungoder Versetzung bis zur Kündigung (Leitfaden der ADS (S.38ff)). Letztere ist dabei das härteste Mittel. Eine wichtige Rolle bei der Bewertung spielt die Beendigung und Verhinderung weiterer Diskriminierungen. Sind Arbeitgebende proaktiv ihrer Fürsorgepflicht durch Präventionsarbeit wie Schulungen oder einem Code of Conduct nachgegangen, kann es einfacher sein, Sanktionen bei Fehlverhalten auszusprechen. Die ausübende Person wusste, dass sexuelle Belästigung nicht geduldet und sanktioniert wird. Wir unterstützen Sie gerne bei der Auswahl und Durchführung geeigneter Präventionsmaßnahmen.
Warum lohnt sich die Prävention sexueller Belästigung?
+Sexualisierte Belästigung kann eine massive Grenzverletzung darstellen, welche sich individuell unterschiedlich, aber teils massiv auf verschiedene Lebensbereiche der Betroffenen auswirkt. Vorfälle sexueller Belästigung wirken sich auch auf die gesamte Organisation und die Atmosphäre in Teams negativ aus (IAB-Kurzbericht 09/2025). Ein feindliches Arbeitsklima, negative wirtschaftliche Folgen und Reputationsverlust zählen zu den möglichen Konsequenzen unzureichender Sensibilisierung und fehlender Beratungs- und Beschwerdestrukturen. Mitarbeitende, die sich an ihrem Arbeitsplatz sicher und wohl fühlen, können sich mit ihren Arbeitgebenden besser identifizieren und kommen motivierter zur Arbeit. Und in Zeiten des Fachkräftemangels gilt natürlich auch: Organisationen, die sich über Diskriminierungsschutz und Gleichberechtigung Gedanken machen, sind attraktivere Arbeitgeber*innen (Bündis gegen Sexismus).
Was muss ich als Führungskraft in Bezug auf sexuelle Belästigung wissen?
+Zum einen sollten Sie sich Ihrer Führsorgepflicht bewusst sein. Das bedeutet unter anderem, dass Sie Ihre Mitarbeitenden vor Diskriminierung und sexueller Belästigung schützen müssen. Da Sie die Führsorgepflicht für alle Mitarbeitenden haben, also auch für die beschuldigte Person oder weitere potenziell betroffene Mitarbeitende, können Sie Vorfälle nicht ignorieren – auch nicht, wenn Betroffene sich das wünschen! Diese Handlungspflicht können Sie ggf. auch erfüllen, in dem Sie an Ihre betriebsinterne Beschwerdestelle verweisen oder eine Maßnahme ergreifen, die sich an alle Mitarbeiter*innen und nicht nur an die beschuldigte Person richtet. Wichtig ist vor allem, dass Sie handeln und den Schutz Ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen. Nichts zu unternehmen, wenn eine Beschwerde an Sie herangetragen wird, ist immer falsch.
Zweitens sollten Sie die internen und auch externen Beratungs- und Beschwerdestrukturen kennen, um ratsuchende Personen gut verweisen zu können. Hier können auch Sie Unterstützung bekommen, wenn es in Ihrem Team einen Vorfall von sexualisierter Belästigung oder Diskriminierung gab.
Schließlich schadet es nie, wenn Sie sich ein paar Sätze bereitlegen, um in möglicherweise diskriminierenden Situationen intervenieren und reagieren zu können. Wie zum Beispiel bei unangemessenen Kommentaren zwischen Mitarbeitenden oder, wenn eine ratsuchende Person auf Sie zukommt.
In unserer Schulung "Verantwortung erkennen und delegieren" behandeln wir alle wichtigen Aspekte der Fürsorgepflicht inklusive Gesprächsführung mit ratsuchenden oder beschuldigten Personen.
Was ist der Unterschied zwischen sexueller Belästigung und Sexismus?
+Sexismus ist ein Überbegriff für Diskriminierung auf Basis des Geschlechts. In patriarchalen Gesellschaften zeigt sich Sexismus auf vielfältige Weise wie zum Beispiel in Vorurteilen oder stereotypen Annahmen. Es ist zum Beispiel sexistisch, davon auszugehen, dass eine Frau prinzipiell besser putze als ein Mann oder, dass ein Mann analytischer denken könne und daher für bestimmte Aufgaben besser geeignet sei. Auf struktureller Ebene wirkt sich Sexismus z.B. auf die Bezahlung (Gender Pay Gap), die Höhe der Rente (Gender Pension Gap) und auf das Lebenserwerbseinkommen aus (Gender Lifetime Earnings Gap). Gerade Frauen mit Kindern sind beim Lebenserwerbseinkommen benachteiligt.
Im sexistischen Machtverhältnis wird der (fiktive) cis-hetero Mann bzw. Männlichkeit als die Norm gesetzt und alles andere als weiblich abgewertet. Von Sexismus sind also Frauen betroffen, aber auch alle anderen Personen, die diese Norm nicht erfüllen wie z.B. homosexuelle Personen oder Personen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren. In vielen Situationen sind auch Männer von Sexismus betroffen, die sich nicht der männlichen Norm entsprechend verhalten.
Unter Sexismus können auch Verhaltensweisen fallen, die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als “Sexuelle Belästigung” bezeichnet werden.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann sich zum Beispiel in verbalen (z.B. sexuell konnotierten “Witzen” oder zweideutigen Bemerkungen), non-verbalen (z.B. Hinterherpfeifen oder Anstarren) und physischen Formen (z.B. jede unerwünschte Berührung oder Herandrängeln) ausdrücken.
Sexuelle Belästigung ist ein Ausdruck von Sexismus. Auch wenn Männer sexuell belästigt werden, ist es sexistisch. Die betroffene Person wird in dem Moment der sexuellen Belästigung weiblich gemacht (Jenness & Fenstermaker 2016). In einer Arbeitsatmosphäre, in der beispielsweise sexistische Äußerungen geduldet und verharmlost werden, ist das Risiko, dass es zu Vorfällen sexueller Belästigung kommt, höher.
Wann fängt sexuelle Belästigung an?
+Ein Warnsignal ist es bereits, wenn ein Verhalten sich unangenehm anfühlt, von der betroffenen Person also unerwünscht ist. Ein aktives Zurückweisen ist jedoch nicht notwendig, es reicht, wenn ein sogenannter “objektiver Betrachter” das Verhalten dem Kontext unangemessen und somit unerwünscht einordnet. Es ist zudem falsch, anzunehmen, dass für eine sexuelle Belästigung eine körperliche Grenzüberschreitung vorliegen muss. Auch verbale und non-verbale Formen fallen unter die Definition des AGGs. Sexuell anzügliche Witze oder Bemerkungen, aufdringliches Starren oder Hinterherpfeifen sowie unangemessene Einladungen zu einer Verabredung zählen somit ebenfalls eindeutig als sexuelle Belästigungen.
Wie lässt sich ein Flirt von einer sexuellen Belästigung unterscheiden?
+Bei einem Flirt handelt es sich um eine Kontaktanbahnung, die von allen Beteiligten erwünscht ist. Es kann passieren, dass eine als Flirt intendierte Handlung von der anderen Seite als grenzüberschreitend wahrgenommen wird. Dann endet die Einvernehmlichkeit und damit auch der Flirt. Relevant in diesem Moment ist, wie mit der Situation von der ausübenden Person umgegangen wird. Alle Menschen werden im Laufe ihres Lebens schon einmal die Grenzen einer anderen Person überschritten haben. Das liegt daran, dass Grenzen sehr individuell und variabel sind. Das als grenzüberschreitend wahrgenommene Verhalten zu unterlassen und die Bereitschaft, sich zu entschuldigen, sind zwei wichtige Aspekte eines verantwortungsvollen Umgangs mit dem eigenen Verhalten. Schulungen können hier einen Reflexionsraum bieten und in Teams für Austausch zu diesem Thema beitragen, um es besprechbar zu machen.
Gibt es auch in meiner Organisation Diskriminierung?
+Wahrscheinlich kommt auch in Ihrer Organisation Diskriminierung vor. Denn: Diskriminierung ist unser aller Alltag. Wir leben in Gesellschaften, die von verschiedenen Machtverhältnissen geprägt sind. Basierend auf den eigenen Erfahrungen und sozialen Positionierungen sind Personen für gewisse Vorurteile und Stereotype in besonderem Maße sensibilisiert, habenjedoch mit anderen Diskriminierungserfahrungen keine oder wenig Berührungspunkte. Dies hängtmit eigenen Privilegien zusammen. Um als Einzelperson oder als Organisation möglichst wenig zu diskriminieren, ist der erste Schrittsich der eigenen Macht / Privilegien bewusst zu werden, und die Bereitschaft, sich in einen Reflexionsprozess zu begeben. Raum dafür kann beispielsweise eine Sensibilisierungsschulung bieten. Es gibt außerdem zahlreiche Medien (Bücher, Texte, Filme), die in diesem Prozess unterstützen können.
Was ist mit Falschanschuldigungen?
+Falschanschuldigungen sind eine Straftat und sollten sanktioniert werden. Dadurch, dass Fälle mit prominenten Beteiligten in den Medien in der Regel sehr präsent dargestellt werden, ergibt sich jedoch ein verzerrtes Bild bezüglich der Fallzahlen. Tatsächlich erscheint die Häufigkeit falscher Anschuldigungen viel höher, als sie es tatsächlich ist.
Falschanschuldigungen dürfen darüber hinaus nicht mit Beschwerden, die nicht eindeutig bewiesen werden können, verwechselt werden. Gerade bei sexualisierter Gewalt steht es häufig Aussage gegen Aussage. Hier ist es die Aufgabe von Arbeitgebenden, die Glaubhaftigkeit aller Parteien zu bewerten und je nach Kontext geeignete Maßnahmen auszuwählen.
Falschanschuldigungen können für die beschuldigte Person sehr negative Konsequenzen haben. Dagegen schützt ein gutes Beschwerdesystem, in dem Beschwerden professionell und intern geprüft werden. Um das Ansehen der beschuldigten und der beschwerdeführenden Person zu wahren, sollten Beschwerden frühzeitig und unter Einbezug aller notwendigen Personen bearbeitet werden. Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass so wenig Personen wie möglich involviert sind (Grundsatz: So viele wie nötig, so wenige wie möglich).
Zusätzlich können Arbeitgeber*innen durch Prävention Fehlverhalten inklusive Falschananschuldigungen reduzieren, indem sie Räume schaffen, über individuelle Grenzen zu sprechen und Feedback zu äußern.
Was bedeutet Intersektionalität?
+Intersektionalität beschreibt die Verschränkung unterschiedlicher Diskriminierungserfahrungen. Das Konzept ist über hundert Jahre alt und wurde 1851 bereits von der ehemaligen Sklavin, Abolitionistin und Frauenrechtlerin Sojourner Truth, in der bekannten Rede „Ain't I a Woman?“ formuliert. Der Begriff entstand viele Jahre später und geht auf das Essay „Demarginalizing the Intersection of Race and Sex“ (Die Intersektion von „Rasse“ und Geschlecht demarginalisieren) zurück, das die Juristin Kimberlé Crenshaw über einen Rechtsstreit schrieb, in dem die Überschneidung der Kategorien „race“ und „sex“ dazu führten, dass diskriminierte Schwarze Frauen ihr Recht nicht vor Gericht geltend machen konnten.
Intersektionalität trägt der Tatsache Rechnung, dass oft nicht klar zu analysieren ist, auf welches Merkmal eine Diskriminierungserfahrung zurückzuführen ist. Wenn eine Frau mit Hijab oder eine junge Frau auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden, geht diese Erfahrung nicht nur auf ihre Religion oder ihr Geschlecht / ihr Alter oder ihr Geschlecht zurück, sondern auf die Gleichzeitigkeit / Verschränkung dieser Merkmale.